Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Ruppert Kultur- und Politikgeschichte
Arbeitsstelle für kulturgeschichtliche Studien

Forschung

Die Forschungsfelder im Fach Kulturgeschichte haben sich von der besonderen Ausrichtung der Universität der Künste her entwickelt. Es wurden bislang solche Themen gewählt, die an anderen Universitäten kaum erforscht werden und die doch in einer engeren Beziehung zu den Erkenntnisinteressen der eigenen Institution stehen. Dies sind

  • die Geschichte des modernen Künstlers als Beruf,
  • die Geschichte der Dinge als eine Form der industriellen Massenkultur und
  • die Geschichte der Gestaltung.

Ausgehend von den Erscheinungsformen des Künstlers in der Gegenwart wurde nach der Figur des modernen Künstlers und seiner Historizität gefragt. Der Künstler war immer weitgehend durch den kulturellen und ästhetischen Bedarf der Gesellschaft geformt worden. Mit den Transformationen zur kulturellen Moderne und zur bürgerlichen Gesellschaft erhielt der moderne Künstler jedoch nicht nur die Aufgabe als Beruf übertragen, ästhetische Codes für den vielfältigen Bedarf der Zeitgenossen zu erfinden, sondern zugleich eine ästhetische Sprache für die Erfahrungen des Individuums in der eigenen Zeit hervorzubringen. Der moderne Künstler objektiviert diese schöpferische Befähigung in seinem Werk oder auch mit der Darstellung seiner Person als dem Repräsentanten einer besonderen kreativen Individualität, die Normen sprengt, Grenzen und Unbekanntes erkundet. Hieran maß sich seine Anerkennung als Künstler durch die Gesellschaft. Seit dem 19. Jahrhundert stehen die unterschiedlichen künstlerischen Professionen zudem in einem Spannungsfeld zwischen der "freien" Kunst und der zweckbezogenen Gestaltung. Um die meist habituell und symbolisch tradierten Formen von innovativen Varianten dechiffrieren und unterscheiden zu können, erweist sich die Kenntnis der langfristigen Entwicklungsgeschichte des Künstlers als eine unverzichtbare Voraussetzung.

Ergebnisse der Forschungsarbeit wurden veröffentlicht in
Wolfgang Ruppert: Der moderne Künstler, Zur Sozial- und Kulturgeschichte der kreativen Individualität in der kulturellen Moderne im 19. und frühen 20.Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1998 (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1352)

Der moderne Künstler

In dieser Studie wird der Beruf des Künstlers erstmals im Kontext der Entwicklungsgeschichte der kulturellen Moderne thematisiert. Die Arbeit verbindet kultur- und sozialgeschichtliche Erkenntnisinteressen, indem sie nach der Entwicklung dieses Akteurs im Kontext der gesellschaftsgeschichtlichen Bedingungen fragt, in denen die kreative Individualität ihre Chancen und Grenzen fand. Sie rekonstruiert diesen vielschichtigen Zusammenhang empirisch und erprobt zugleich die methodischen und inhaltlichen Perspektiven der neuen Kulturgeschichte, ohne die sozialgeschichtlichen Strukturen in ihrer ordnenden Wirkungsmacht zu vernachlässigen.

Das Buch wurde 1999 von einer Jury aus Fachjournalisten auf Platz 2 der Sachbuchbestenliste des NDR, der Süddeutschen Zeitung und der Zeit gesetzt.

Die Geschichte der Dinge und der industriellen Massenkultur

Die fortlaufende Vermehrung der Dinge, mit denen die Menschen ihre Lebensführung gestalten, ist eine markante Ebene in der Zivilisationsgeschichte der kulturellen Moderne. Die im Modernitätskontext vorangetriebene kulturelle Diversifizierung der Bedürfnisse der Menschen beinhaltet die Verdinglichung von Gebrauchsformen in der materiellen Kultur. In der Konsumgesellschaft treten zu der Aneigung der Dinge für den Gebrauch bei der Alltagsbewältung, in der Welt der kollektiven und individuellen Vorstellungen Begriffe und Bilder hinzu. Diese werden als immaterielle Kultur, in der Kommunikation über die Dinge als Waren, von der Werbung codiert und vom Konsumenten rezipiert. In diesem sich durchdringenden Wechselverhältnis zwischen der materiellen Kultur der Dinge, der industriellen Massenkultur, dem Konsum und der immateriellen Kultur der Bedeutungsaufladungen bewegt sich die Entwicklungsdynamik der industriellen Gesellschaften des Westens. Hierin eingelagert ist die Gestaltung der Dinge und ihr Design. Die Thematisierung dieser Zusammenhänge bildet ein vielfältiges Forschungsfeld.

Ein Text, der eine Perspektive in diesem Forschungsfeld herleitet: Wolfgang Ruppert: Plädoyer für den Begriff der industriellen Massenkultur, in: Siegrist, Hannes u.a.: Europäische Kulturgeschichte. Zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte des Konsums (18. bis 20. Jahrhundert), Frankfurt a.M./New York 1997, S.563 -582.

Ein Textabschnitt hieraus (S. 563-570)

Als bisherige Buchpublikationen liegen vor:
Wolfgang Ruppert (Hg): Fahrrad, Auto, Fernsehschrank. Zur Kulturgeschichte der Dinge, Frankfurt a.M. 1993 (vergr.)

Die Beiträge dieses Buches zeigen die vertrauten Dinge unseres modernen Alltags im Licht der historischen Kulturwissenschaft. Sie beschreiben die Geschichte der Objekte von ihrer technischen Erfindung bis hin zu ihrer Durchsetzung als Massenkonsumartikel. Inhalt:
W. Ruppert: Zur Kulturgeschichte der Alltagsdinge
D. Sabean: Die Produktion von Sinn beim Konsum
K. Hausen: "...durch die Blume gesprochen...".
J. Krausse: Das Fahrrad. Von der "kindischen" Kombinatiork zur Montage
W. Ruppert: Das Auto. "Herrschaft über Raum und Zeit"
K. Hickethier: Der Fernseher. Zwischen Teilhabe und Medienkonsum
Chr. Asendorf: Super Constellation. Das Flugzeug als kulturelle Erfahrung

Wolfgang Ruppert (Hg): Chiffren des Alltags. Erkundungen zur Geschichte der industriellen Massenkultur, Marburg 1993

"Die Erforschung der Geschichte der industriellen Massenkultur steht an. Zwar hat sein den 1980er Jahren eine verstärkte Beschäftigung mit einzelnen Objekten und auch den visuellen Erscheinungsformen und dem Design der materiellen Kultur in den hochindustrialisierten Gesellschaften eingesetzt. Doch eine interdisziplinäre Form von Wissenschaft, die die Kulturgeschichte der Dinge ebenso wie das Verhältnis der Menschen zu ihnen systematisch untersucht, ist erst im Entstehen. 1990 fand and der Hochschule der Künste Berlin eine wissenschaftliche Arbeitstagung statt, mit dem Ziel einer Bestandsaufnahme. Kunstpädagogen, Kulturhistoriker, Designhistoriker und Ethnologen trugen beispliehafte Forschungsansätze vor. Ihnen gemeinsam ist der Versuch, Methoden zu entwickeln, wie die Dialektik der Produktion der industriellen Massenkultur und deren Form, ihre kommerzielle Codierung und ihre Aneignung im Alltagsleben der Menschen erfaßt werden kann." (Klappentext)

Wolfgang Ruppert(Hg): Um 1968. Die Repräsentation der Dinge, Marburg 1998

Um 1968 vollzog sich ein gravierender Wandel in der Ausstattung von Wohnräumen. Dies war keineswegs nur Ausdruck der Studentenbewegung, der politisch wahrgenommenen Opposition gegen das „Establishment“ und deren symbolische Formen. Vielmehr sind in den sechziger Jahren weiterreichende zivilisationsgeschichtliche Wandlungen im Verhältnis der Menschen zu ihrer dinglichen Umwelt festzustellen. Der Modernisierungsschub im Erlebnis des Hörens (Stereoanlage), des Informations- und Erfahrungsgewinns mit dem mobilen Blick in die Ferne (tragbarer Fernseher), die Umdefinition von Körperzonen und die dafür konzipierte Bekleidung einer neuen Beweglichkeit (Minikleid, Strumpfhose) ging zunächst von Subkulturen aus, die mit dem Zeichenwert dieser Dinge zugleich ein distinktives Selbstverständnis „des Zeitgemäßen“ verbanden. Ziel dieses Buches ist es, die historischen Kontexte einiger zentraler Leitobjekte transparent zu machen, sie als Ausdruck der epochalen Konfiguration zu verstehen und sie in ihrer längerfristigen zivilisationsgeschichtlichen Bedeutung zu bestimmen, sowie nach den Auseinandersetzungen der Akteure um symbolische Ordnungen zu fragen. Die politischen Kontroversen stehen in diesem Konzept am Rande. Es sollen vielmehr vertiefte Einsichten in den Entwicklungsstand der Moderne in den 60er Jahren ermöglicht werden. Der vergleichende Blick zwischen Ost und West bringt Erkenntnisgewinn.

Erschienene Dissertationen

Simone Tippach-Schneider: Tausend Tele-Tips. Das Werbefernsehen in der DDR, Berlin 2004.

"Der Meister spricht von Malimo, denn Malimo hat Weltniveau", so klang es in den sechziger Jahren täglich im Fernsehen der DDR. Die Werbesendung Tausend Tele-Tips wurde ab 1960 regelmäßig im Deutschen Fernsehfunk ausgestrahlt und war wegen der zahlreichen Trickfilme vor allem bei Kindern beliebt. Die Werbespots von 20 Sekunden zeigten neue Erzeugnisse ebenso wie moderne Verbraucher. Es wurden Waren angepriesen – Fußcreme, Fisch und Sommerstoffe – Spülmaschinen, Autosuper und Rührgeräte – alles mit den Mitteln der Werbung: Information, Übertreibung und Humor. Zwischen den Werbespots liefen Ratgeberfilme für Haushalt, Auto und Garten. Was aber sollte Werbung ohne Wettbewerbswirtschaft und bei ständigem Mangel im Warenangebot bewirken? Wer waren die Auftraggeber der Werbespots und wer die Filmproduzenten? Warum wurde das Werbefilmstudio der DEWAG bereits 1962 aufgelöst, und welche Rolle spielten dabei die DEFA und die Hauptverwaltung Film beim Ministerium für Kultur? Zu Beginn der siebziger Jahre nahm im Handel das Missverhältnis zwischen Warenangebot und Nachfrage beständig zu. Für neue Erzeugnisse wurde immer seltener geworben und im Programm des Fernsehens liefen nur noch vereinzelt Tausend Tele-Tips. Das Werbefernsehen hatte als Bestandteil einer programmatischen Konsumpolitik offenkundig an Bedeutung verloren. Die letzte Werbesendung wurde am 15. Februar 1976 ausgestrahlt. Das Buch enthält Hintergründe und Fakten zur Geschichte des Werbefernsehens der DDR, detaillierte Übersichten sämtlicher Filmproduktionen und über 300 Abbildungen.

Bettina Günter: Blumenbank und Sammeltassen. Wohnalltag im Wirtschaftswunder zwischen Sparsamkeit und ungeahnten Konsummöglichkeiten, Berlin 2002.

Blumenbank, Fernseher, Kühlschrank, Klappcouch - auch heute noch stehen einzelne Wohnobjekte für das Lebensgefühl der fünfziger und frühen sechziger Jahre. Das Buch beschreibt die alltäglichen Wohnformen und Einrichtungsstile, ohne dem Klischee der schrägen Fiffties zu verfallen oder die Epoche auf die Highlights des Design zu verengen. Dabei fragt die Autorin nach den Aneignungs- und Konsummustern in der sich verallgemeinerden Konsumgesellschaft der Nachkriegszeit. An konkreten Beispielen schildert Bettina Günter den Umgang mit neuerworbenen Prunkstücken, wie dem bauchigen Kühlschrank. Sie zeigt aber auch wie diese Vorzeigeobjekte des Konsums "vom Munde abgespart wurden". Kleine Objekte wie Blumenbank und Sammeltassen ermöglichten allen den Anschluss an die neue Zeit, auch wenn es für die komplette Wohnzimmereinrichtung (noch) nicht reichte. Viele Abbildungen und anschauliche Interviewpassagen lassen den Wohnalltag der Wirtschaftswunderzeit lebendig werden. Doch welche Schlussfolgerungen lassen sich zum Wandel der Wohnkultur in den Fünfziger ziehen und wo sind - auf der Basis der erhobenen Empirie, verknüpft mit hinzugezogenen theoretischen Ansätzen - generalisierende Aussagen zum Umbruch der Konsumgesellschaft in der Anfangszeit möglich?

Iris Elisabeth Vitzthum von Eckstädt: Würdiger Bürger im Frack? Ein Beitrag zur kulturgeschichtlichen Kleidungsforschung, Baltmannsweiler 2008

Stefan Gauß: Nadel, Rille, Trichter. Kulturgeschichte des Phonographen und des Grammophons in Deutschland (1900-1940), Köln u.a. 2009

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts eröffneten "Phonoobjekte" erstmals die Möglichkeit, Schall technisch zu reproduzieren. Der vorliegende Band fragt in der Perspektive einer empirischen Kulturgeschichte nach den Entwicklungen und Verlaufsformen der Produktion der Phonoobjekte, nach den Formen des Umgangs mit ihnen sowie nach ihrer zivilisationsgeschichtlichen Bedeutung. Behandelt werden unter anderem die Kommerzialisierung der Phonoobjekte, die Genese und Struktur der Phonoindustrie, die Erfahrungen der Künstler vor dem Trichter, der Gebrauch der Objekte zum Hören von Musik, zur Rationalisierung von Arbeit sowie ihre Verwendung in den Wissenschaften und in der Lehre.
Der Autor entwirft ein umfangreiches Bild von der Geschichte dieses neuen Mediums und zeigt es in seiner unauflöslichen Verwobenheit mit den zeitgeschichtlichen Kontexten.

Laufende Dissertationsprojekte

Stefanie Johnen: Die Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst in Berlin in ihrer ersten Phase der nationalsozialistischen Überformung zwischen 1933 und 1937

Die Dinge als Forschungsfeld

Auswahlbibliografie

Kulturgeschichte der Kleidung

Auswahlbibliografie

 


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